09. Juni

Standing Stones of Callanish




Die Imkerhüte gegen Midges sind eine clevere Geschäftsidee, wären wir auch nur noch einen Tag geblieben, hätte ich so ein Ding erworben. Unglaublich, welche Wolken dieser Microvampire uns am Abend umschwirrten und am Morgen, beim Auffüllen der Wasservorräte ebenso. Mit geschlossenem Anorak und aufgesetzter Kapuze musste ich nur die Hände und das Gesicht verteidigen, selbst dies gelang nur mangelhaft. Beim Öffnen der Garage verschwanden unzählige dieser Plagegeister im Dunkeln der Luke - na prima, oberhalb der Luke sind die Betten!

Unser Aufbruch gleicht daher eher einer Flucht, dieser Platz kommt bei mir auf die schwarze Liste!

Der zweite Hopser unseres "Scotch island hopper" Tickets soll uns heute an den westlichen Rand von Schottland bringen, auf die Insel Lewis and Harris, dort befindet sich unter anderem der große Steinkreis, der in Form eines keltischen Kreuzes angeordnet ist. So interessant dieser Kreis auch ist, wer über den geschichtlichen/kulturellen Hintergrund mehr wissen möchte, muss sich anderweitig um Informationen bemühen, ich werde hier nur meine persönlichen Eindrücke schildern.

Wir sind schon um 09:00 Uhr im Hafen von Uig, es bläst ein frischer Wind, den nutzen wir, um mittels kräftigem Durchzug die Midges aus ihren Verstecken zu blasen - Rache ist süß!

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Die Wartezeit bis zum Eintreffen der Fähre nutzen wir zur Futtersuche, wir finden einen Fish&Chips Lieferanten, aber die Qualität ist diesmal nicht besonders.

Als die Fähre kommt, geht alles sehr schnell, die wenigen Fahrzeuge finden schnell ihr Plätzchen und die Fähre verlässt den Anleger bei strahlendem Sonnenschein.

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Um 09:50 Uhr ist Uig schon nicht mehr in Sicht, wir sind unterwegs nach Tarbert.

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Nach etwas über einer Stunde kommt Tarbert in Sicht, überschaubar, idyllisch, und bei blauem Himmel (was sonst?) leuchten die verstreuten weißen Häuschen in der Sonne.

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Nach dem Anlegen fahren wir bei der erstbesten Gelegenheit nach links in eine kleine Straße zum Halten, um das Navi mit unserer Wunschroute vertraut zu machen. Beim Wendemanöver sehe ich in einem kleinen Hof in einer offenen Halle erstaunliches.

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Also, auf zu den Steinen, ich würde ja auch gerne Nachts photographieren, ob das möglich ist? Wie nah darf man an die Steine ran? Sind diese durch eine Umzäunung geschützt?

Dies, finde ich, sind berechtigte Fragen, wenn man denkt, wie das in Stonehenge zugeht.

Ab Harris fahren wir auf der A859 in Richtung Nordost bis nach Leurbost, nehmen die Abzweigung nach links um dann der A858 bis nach Callanish zu folgen.

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In Callanish fahren wir nicht in Richtung Besucherzentrum, sondern biegen erst später nach links ab und kommen so von Norden zu den stehenden Steinen. Dort gibt es einen kleinen Parkplatz, auf welchem wir unser Womo ungestört für heute und die kommende Nacht abstellen können.

Vom Stellplatz des Womos aus kann man die lange Doppelreihe der Steine, welche sozusagen den Längsbalken des keltischen Kreuzes bildeten, entlangsehen.

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Da steh ich nun, auf diesen Augenblick habe ich mich seit Monaten gefreut. Nach einer kurzen ersten Besichtigung stelle ich erstaunt und tief befriedigt fest, es gibt keinen Zaun, der den Zutritt verhindert (der Zaun auf dem Bild ist dazu da, die Schafe am Betreten zu hindern und hat unverschlossene Gatter), Eintritt wird nicht verlangt, kein Photographie- oder sonstiges Verbot! So etwas gibt es also auch noch, Danke schön!

Ich verbringe den ganzen Tag damit, bei unterschiedlichen Sonnenständen Bilder aus allen Lagen, mit allen verfügbaren Brennweiten zu machen. Dabei lerne ich einen interessanten Herrn aus Österreich kennen, der mit einer professionellen, richtig großen und kompliziert aussehenden Filmkamera hochauflösende Standbilder (Photos) macht, wie er mir erklärt. Er hat vor, während des lang dauernden Sonnenunterganges ausdrucksstarke Bilder zu machen; kann ich verstehen, darauf warte ich je ebenso.

Wenn die Sonne scheint und alles rings umher friedlich und heiter aussieht, dann muss man eben etwas Regie führen, um dramatische Bilder zu bekommen. Wie wäre es zum Beispiel mit Schwarzweiß, ein wenig Unterbelichtung und hohem Kontrast? Bitte schön:

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Oder hier, die falschen Männer von Callanish

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Um 20:26 Uhr ist die Welt noch in Ordnung, zu dieser Zeit entsteht das nachstehende Bild.

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Mit der Zeit ziehen immer mehr Wolken vom Horizont heran, die tief stehende Sonne findet durch die weniger werdenden Lücken immer seltener Gelegenheit , die Steine in das gewünschte mythische Licht zu tauchen.

Als endlich der Zeitpunkt gekommen ist, auf welchen wir stundenlang warteten, ist die Sonne nicht zu sehen und der Kollege aus Österreich packt seine Gerätschaft zusammen, "Das wird nichts mehr", meint er und verabschiedet sich.

Schade, denke auch ich, aber ich habe noch ein As im Ärmel: Dank Womo wohne ich heute Nacht direkt an den Steinen und heute Nacht ist Vollmond!

Allerdings erst nach 01:00 Uhr. Aber für was gibt es Wecker.

Ich bin rechtzeitig vorort. Mit dicker Jacke und Handschuhen, es ist bitter kalt, da ist es kein Vergnügen, das metallene Stativ mit bloßen Händen zu berühren.

Im Steinkreis angekommen, mit einem seltsamen Gefühl, wie nachts, alleine auf einem Friedhof, streiche ich durch die meterhohen Steine. Außerhalb des Zaunes schlafen Schafe, einige heben den Kopf oder die Ohren, aber bald sehen sie in mir keine Gefahr mehr und die Köpfe sinken wieder zu Boden.

Ich trete an den Hauptstein, vor meinen Füßen die Stelle, die vermutlich ein Massengrab ist (den Skelettfunden nach). Langsam nähert sich mein Rücken der glatten Fläche des vor 5000 Jahren hier errichteten Steines. Ich muss an den Roman "Feuer und Stein" denken, den ich gerade lese, und dass in der dort beschriebenen Geschichte der Stein brummte, bevor er die Titelheldin in die Zeit des schottischen Aufstandes zurückwarf. Jetzt schiebt sich der Vollmond als schmale, orangefarbene Sichel über den Horizont - und ich wage es, ich gestehe es - mit leicht erhöhtem Puls: Ich lasse los und spüre den Stein, aber kein Brummen.

Ist mir auch lieber so.

Unglaublich, wie schnell der Mond klettert, kaum habe ich eine gute Position für das Stativ gefunden und ein oder zwei Langzeitbelichtungen gemacht, muss ich schon wieder weiterrücken.

Besonders schön finde ich dieses Bild hier, mit der Spiegelung des Mondes in einem kleinen Moorsee.

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Ich bleibe noch einige Zeit im Banne des Steinkreises und denke über manches nach, der richtige Ort und die richtige Zeit dafür, glaube ich.

Irgendwann treffe ich wieder im Womo ein, ich schmiege mich an Waldameise und bin mir sicher: dagegen kommt kein Stein an, wie alt und mythisch er auch sein mag.