05. Juni

Besteigung des Ben Nevis




Zitat:

Alljährlich fordern Unterkühlung und Entkräftung ihre Opfer, da der Ben Nevis von vielen Gipfelaspiranten unterschätzt wird

Zitat Ende.

Der Grund dafür dürfte sein, dass der Ben Nevis nur 1344m hoch ist, das klingt nicht besonders beeindruckend. Jedoch beginnt der Aufstieg in etwa auf Meereshöhe, damit verbleiben 1300 Höhenmeter, hoch und wieder runter. Dramatische Wetterwechsel sind auch nicht selten, selbst im Sommer kann es plötzlich schneien.

Aber mit genügend warmer Kleidung und Proviant, nebst guten Schuhen und ein wenig Kondition, ist die Besteigung kein Hexenwerk.

Eine unbedingt notwendige Vorsichtsmaßnahme sollte sein, dass man sich über die Wetterlage am Berg informiert. Dazu hängen z.B. in der Rezeption des Campingplatzes Infoblätter an der Pinwand. Für heute lese ich:

Nullgradgrenze: 700m
Wind: kräftig
Sicht: meistens gut
Schauer: Regen, Graupel, Schneefall - möglich

Meine Interpretation: Idealwetter - He, wir sind in Schottland!

Da wir über ein genügend großes Zeitpolster für Pausen verfügen wollen, brechen wir früh auf; ein Blick auf die Uhr: es ist 07:30. Ameisen sind dafür bekannt, dass sie große Lasten schleppen können. Wunderbar, damit ist geklärt, wer den Rucksack mit Wasser und Proviant tragen wird, ich habe dafür das Vergnügen mit dem Photorucksack.

Der eigentliche Anstieg auf den Ben Nevis beginnt beim Besucherzentrum, welches vom Campingplatz aus gesehen kurz vor Fort Williams liegt. Von unserem Campingplatz aus gibt es eine weitere Möglichkeit, die kürzer ist, dafür ziemlich steil; von der Jugendherberge aus, gleich neben dem Campingplatz, geht es direkt die Bergflanke hoch, bis man auf den von links kommenden eigentlichen Wanderweg stößt.

Es ist 08:00 Uhr und wir sind dabei, den steilen Anstieg zur Wegkreuzung zu bewältigen. Warum kommt mir immer wieder "Herr der Ringe" in den Sinn? Das hängt wohl mit der "geheimen Treppe nach Mordor" zusammen. Aber, schön ist es hier, wirklich schön und noch ist es frisch.

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Die erste Zeit sind wir weit und breit die einzigen, die auf dem Weg zu sehen sind. Das liegt wohl daran, dass wir so früh gestartet sind. Aber dann geht es los, ein um das andere Grüppchen pirscht sich von hinten heran und zieht an uns vorbei; lass sie nur, tröste ich mich, wir veranstalten schließlich kein Wettrennen. Aber ein bischen gewurmt hat es mich doch.

Ein Blick zurück, das gehört dazu, denn der Aussicht wegen sind wir ja unterwegs - die Welt kann so schön sein.

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Noch ein kleiner Nachtrag zum Thema überholen: ungefähr an der Stelle des vorigen Bildes wurden wir von einem Dreiergespann überholt, voraus der Hund, dann Sie und dann Er, alle drei im Laufschritt, die Zweibeiner im T-Shirt und kurzer Hose! Wir haben gelesen, dass es als sportliche Disziplin einen Ben Nevis Lauf geben soll, dabei wird den Berg hoch und wieder runter gerannt ?!! - Na, dann viel Vergnügen beim Training.

Zwei Stunden sind wir nun unterwegs, nach genügend Schweiß und einer kurzen Rast, schon auf der anderen Talseite des Red Burn, kann man weit unten unseren Campingplatz sehen.

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Wir sind jetzt dabei, den schwierigeren Teil des Anstiegs zu meistern, die schuttüberzogene Westflanke den Ben Nevis, auf der man Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert ist.

Aber bisher können wir nicht klagen, die Wolken werden häufiger, aber der überwiegende Teil des Himmels zeigt das uns mittlerweile vertraute tiefe Blau.

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Nur täuschen lassen darf man sich nicht, auch die vereinzelten Wolken können für Niederschläge sorgen, wie das Exemplar etwas unter uns. Befindet man sich innerhalb einer solchen Wolke, wird es sehr schnell unangenehm: neblig, kalt, nass und windig.

Auf dem Bild ist der Einschnitt des Red Burn gut zu sehen, von links nach rechts. Wir kamen von der gegenüberliegenden Flanke, auf welcher ein Stück des Weges zu sehen ist.

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Nach weiteren zwei Stunden (es ist jetzt 12:00 Uhr) erreichen wir das verharschte Schneefeld, welches den letzten Anstieg zum Gipfel signalisiert.

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"Lauf nur zu, Waldameise, lauf nur weiter! Ich bleib nur ab und zu stehen, damit ich Bilder machen kann", klasse Ausrede, gell?

Der Aufstieg über den Harsch ist wirklich unangenehm, meine Schuhe rutschen immer wieder in schon vorhandene Trittlöcher, auch seitlich weg, dies ist dem Gleichgewicht nicht gerade förderlich; so schwanke ich eher wie leicht betütelt bergauf, mit Luis Trenker verwechselt mich ganz sicher niemand.

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Dann endlich - endlich! - wird der Weg flacher, wir haben das Gipfelplateau beinahe erreicht. Die Abbruchkante mit dem Schneeüberhang zieht mich magisch an, aber nicht nur aus Instinkt, sondern auch wegen der ausdrücklichen Warnung, gelesen beim Studium des Wetterberichtes, gehe ich keinen Schritt weiter. Drei Bilder weiter ist die Kante von der anderen Seite aus zu sehen.

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Noch ein- oder zweihundert Meter weiter und wir haben es geschafft - Hipp Hipp Hurra!!!

Der Gipfel! Wir haben die Ruinen des Observatoriums auf dem höchsten Punkt der britischen Inseln erreicht.

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Ich drückte den Photoapparat dem nächsten Gleichgesinnten in die Hand, mit der Bitte, ein Bild von Waldameise und mir zu machen - Bitte schön:

Waldameise und Waschbär, die stolzen neuen Bezwinger des Ben Nevis, am Vermessungspunkt auf dem Gipfel.

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Von hier aus kann man zurückblickend sehr schön den gewaltigen Schneeüberhang sehen, jetzt wird auch deutlich, warum vor dem Herantreten so dringend gewarnt wird.

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Der Wind bläst kräftig und ist schneidend kalt. Andere Wanderer haben zum Verzehr ihres Vespers Schutz hinter den Mauern der Ruinen gefunden.

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"Lass uns erst wieder ein Stück nach unten gehen", rät Waldameise, "unterhalb des Schneefeldes war es weniger windig".

Der Abstieg durch den verharschten Schnee ist ebenfalls unangenehm, um nicht zu rutschen, ramme ich die Fersen in den Untergrund, manchmal breche ich dabei tiefer ein als gewollt und darf mir dann den Schnee aus den Schuhen popeln.

Wir erreichen das untere Ende des Schneefeldes und hocken uns zu einer Pause nieder, der Rucksack von Waldameise wird zusehens leichter, der Photorucksack dagegen leider nicht.

Mittlerweile überwiegen am Himmel die Wolken. Immer wieder ziehen Wolkenfetzen vorbei und versperren die Sicht, ab und zu bleiben spektakuläre "Gucklöcher" frei, ein wirklich faszinierendes Schauspiel.

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Beim Abstieg über die ungeschützte Westflanke geraten wir in einen kurzen Graupelschauer, bei genauem Hinsehen sind die Graupelkörner als schräge Striche auf dem Bild zu erkennen.

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Das Wetter verschlechtert sich zunehmend, wir schliessen die Jacken und setzen die Kaputzen auf.

Als wir wieder die nördliche Talseite des Red Burn erreichen, zieht von Nordost her eine gewaltige schwarze Wolkenmasse auf, wir mobilisieren alle Reserven, um dem Unwetter zu entkommen.

Umsonst. Die Wolken öffnen die Schleussen, zum Glück kommt der stürmische Wind von hinten und peitscht den Regen nicht in unsere Gesichter. Wer jetzt in kurzer Hose und T-Shirt unterwegs ist hat sicher einige Probleme.

Von dieser Phase unserer Wanderung gibt es leider keine Bilder mehr, Elektronik und Wasser vertragen sich nicht so sehr.

Das Unwetter ließ etwas nach, es regnete noch kräftig, aber mehr senkrecht als waagrecht, und die leichte Panik legte sich wieder. Das war auch notwendig, denn die durch den Regen schlüpfrig gewordenen Steine verlangten unsere volle Konzentration. Aber wir schafften es schließlich, ohne Blessuren, müde, jedoch überglücklich.

Jetzt, um 17:00 Uhr, sitzen wir im warmen Womo und lassen das Erlebte langsam in den Schatz der Erinnerungen einsickern.

Waldameise, mit dir kann man Pferde stehlen!