31. Mai

Ankunft in Newcastle




Die Überfahrt nach Newcastle war das reinste Vergnügen, die Nordsee hat entweder nicht mitbekommen, dass sie auch mich auf ihrem Rücken trägt, oder aber ist sie mir gnädig gestimmt. Jedenfalls war es die Nacht über sehr friedlich und auch jetzt ist die See glatt und ruhig, der erste Blick aus der Luke präsentiert ein Bild, wie es sonst nur in Museen für moderne Malerei zu finden ist: Blau über Blau.

Die Fähre schwenkt leicht nach links, in die Mündung des River Tyne und zuckelt flußaufwärts in Richtung der Anlegestelle. Wir stehen an der Reeling und sammeln begierig neue Eindrücke, als ob wir auf einem anderen Kontinent gelandet wären. Allein auf dieser kurzen Strecke bieten sich Motive an, um ganze Bildbände damit zu füllen.

Hier zum Beispiel, dieser hölzerne Wellenbrecher, der ganz sicher aus stabiler britischer Eiche gefertigt ist:

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Oder wie wäre es damit? Ein waschechter Luxusliner:

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Interessant finde ich auch dieses Ding - ja was? Boot? Schiff? Kahn? Schaut es euch ruhig mal eine Minute lang genau an, würdet ihr euch damit auf's Wasser trauen?

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Während die Fähre anlegt (Ankunftszeit in Newcastle: 09:00 GMT), machen wir unser Raumschiff klar zum Verlassen des Schiffes, allerdings ist immer noch die Frage offen, wie wir aus dem Schiff herauskommen. Wir sehen zu, links über ein Geländer hinweg, wie einen Stock tiefer Fahrzeuge das Deck verlassen, als unvermittelt eine Tröte loslärmt. Dann beginnt der Boden leicht zu zittern und unsere "Sackgasse", mit all den Fahrzeugen darauf, beginnt sich vorne abzusenken, die massive Stahlwand bleibt oben zurück.

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Ein kleiner Rumpler und unsere Rampe setzt einen Stock tiefer auf und wir dürfen das Schiff voraus verlassen.

Sollten wir gedacht haben, jetzt geht es los, haben wir uns getäuscht. Nach dem Verlassen der Fähre werden alle Womos auf gesonderte Fahrspuren gelotst und es heißt wieder einmal warten. Zollkontrolle! Wir müssen den Kleiderschrank öffnen, die Sitzbank über dem Wasserbehälter hochklappen, die "Garage" wird ebenfalls inspiziert. Die freundliche Lady, die für Apollo 13 zuständig ist, erklärt auf unsere Frage nach dem Warum: "Wir suchen nach illegalen Einwanderen, deshalb wird jeder größere Stauraum kontrolliert."

Dann endlich werde ich auf die ahnungslosen Insulaner losgelassen: "Apollo 13, clear to leave"

"Links fahren! Links fahren!", ermahnt mich Waldameise, "Schön links bleiben!" - ermahne ich mich selbst. Na, wer sag es denn, geht doch ganz einfach. Dann meldet sich das Navi: "Kreisverkehr, 2. Ausfahrt". "Was? äh - also die rechte (unserer 2 linken) Spur aufsuchen, den von rechts kommenden Störenfrieden die Vorfahrt gewähren, auf der inneren Kreisspur nach links fahren, nach der ersten Ausfahrt nach links auf die äußere Spur wechseln und bei der zweiten Ausfahrt den Kreis nach links - auf der ganz linken Spur - verlassen - hehe, geht doch... zumindest wenn ich so langsam fahre wie eben."

Aber warum sind die Hände so feucht - das kann nur an dem ganz und gar nicht englischen Wetter liegen, strahlend blauer Himmel und eine Sonne wie in Südeuropa.

Jetzt sind wir unterwegs, mit dem Ziel, die Insel von Ost nach West zu überqueren. Es soll auf der A69 bis nach Hexham gehen, danach ein kurzes Stück gen Norden, der Hadrians Wall ist ein "Muss" (ich habe extra noch wenige Tage vor der Abfahrt den Film "König Arthur" zum wiederholten Male verschlungen), von dort weiter nach Westen in Richtung Carlisle und über die A74 nach Gretna Green. Danach eine Stipvisite zur Sweetheart Abbey und danach wollen wir für das Nachtlager einen geeigneten Platz aufsuchen. Also: Packen wir's!

Der Hadrians Wall

Der Parkplatz bietet genügend freien Platz für unsere kleine Kapsel, die Sonne knallt vom wolkenlos blauen Himmel und lässt uns eher an Sonnenschutz-Creme und Mütze denken, als an einen der vielen Pullover in den Wäschefächern. Der Weg vom Parkplatz zu den Ruinen der römischen Festung und den passablen Resten des Schutzwalles führt über Wiesen und bietet uns so die Gelegenheit für den ersten Kontakt mit jener Lebensform, die für den weiteren Urlaub stets präsent sein sollte:

Eine abgeklärte Schafs-Mamma mit zwei deutlich nervöseren Bälgern.

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Wir gelangen durch ein Gatter auf ein großes umzäuntes Weidegebiet, auf welchem sich die Reste des römischen Forts und das Museum befinden. Direkt hinter der Mauer, nach Durchschreiten des Gatters, erblicke ich Leidgenossen, Schafe, die über das mediterane Wetter ebenfalls nicht restlos glücklich zu sein scheinen.

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Wir stapfen den kurzen, steilen Anstieg zum Museum bergauf, lösen dort unsere Tickets und machen uns sofort auf den Weg, vorbei an den Resten des Forts,

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um die sagenumwobene Verteidigungsmauer zu erkunden.

Und dann stehen wir davor! Auf dem Bild ist links Norden, dort waren die Pikten und Skoten, und auch die Sachsen kamen aus dieser Richtung, rechts der Mauer, im Süden, waren die Römer.

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Ameisus Walderectus steht Wache und späht nach Norden, in das feindliche Terrain.

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Wir folgen dem Wall ein gutes Stück zu Fuß. Der Verlauf der Mauer nutzt das Gelände geschickt aus, wer angreifen wollte, musste dies von unten nach oben versuchen.

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Schade nur, dass das Wetter gar so prächtig ist - ja liebe Waldameise, auch ich genieße die Sonne, aber die Bilder, das werden Postkartenfotos. Wolken, Nebel, Sonnenstrahlen die durch die Wolken brechen, das wäre mir jetzt lieber. Aber- Kopf hoch - es geht nach Schottland, das wird schon werden, mit den Wolken.

Gretna Green

Was mir spontan zu Gretna Green einfällt?

- Ein Halbsatz aus einem alten Schlagertext: Und mit dir wollt ich mal nach Gretna Green..
Ich habe das damals zwar nicht verstanden, aber gemerkt habe ich mir den Satz, warum auch immer.

- Tourismus, eine überlaufene Sehenswürdigkeit, die außer Andenkenläden nicht viel zu bieten hat.

Auch wenn die Vorurteile zutreffen, es ist eben nur die halbe Geschichte.
Inspiriert durch einen Text aus dem Reiseführer versuche ich mir vorzustellen, welche Dramen sich hier abgespielt haben mochten:

Ein blutjunges Paar, für ihre Liebe bereit, den strengen Eltern zu trotzen, welches gerade eben vermählt wurde, dann im Gallop der verzweifelte, aufgebrachte Vater, der - das Schwert in der Hand - feststellen musste, dass er zu spät kam.

Wer möchte jetzt in der Haut des Bräutigams stecken?

Nein, Gretna Green sollte man nicht links liegen lassen, es gibt zu viele Denkmäler, die nur zum Gedenken an Macht und Morden errichtet wurden.

Waldameise - was geht dir soeben durch den Kopf?

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Ja, stimmt! Schade, dass wir schon verheiratet sind ...

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Und sollte dieses Denkmal den Schutzpatron der Ehe zeigen, dann ist es nicht mehr verwunderlich, dass so viele Ehen in die Brüche gehen.

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Sweetheart Abbey

Wir ziehen weiter, in Richtung Westen, bis wir den River Nith erreichen, an dessen Ostufer fahren wir nördlich, jedoch ist Ufer nicht das richtige Wort, Strand wäre sicherlich passender. Nur - wo ist das Wasser?

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Wir folgen dem Fluss aufwärts, bis nach Dumfries, in der Stadt geht es über die Brücke und danach am Westufer des River Nith wieder nach Süden, bis nach New Abbey.

Hier angekommen erhalten wir eine erste Lektion in Länderkunde: die Sweethard Abbey kann nicht mehr (innen) besichtigt werden, wir sind zu spät! Es ist immerhin schon kurz nach 17:00 Uhr. Diese Erfahrung, dass z.B. auch Läden für unsere Vorstellung sehr früh schließen, mussten wir des Öfteren machen.

An die Abbey angrenzend gibt es einen Friedhof, von welchem aus sich das Gemäuer eindrucksvoll präsentiert. Der einzige Nachteil ist, dass man gegen die Sonne schauen muss und die rote Farbe der Steine nicht richtig zur Geltung kommt.

Gegenlicht hat dafür seine eigenen Reize.

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Hier kann man ahnen, welche Leuchtkraft das Gemäuer mit der Sonnen im Rücken haben muss.

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Sandyhills Bay

Jetzt wird es langsam Zeit, einen geeigneten Platz für die Übernachtung zu finden. Kurz vor Portling landen wir einen Volltreffer: ein wunderschöner Campingplatz in der Sandyhills Bay, mit tollem Sandstrand und tagsüber regem Badebetrieb.

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Nachdem wir einen traumhaften Stellplatz unser eigen nennen, mit Stromanschluss und Blick auf das Meer, ist es an der Zeit, zum ersten Mal die schottische Küche zu versuchen.

Außerhalb des Campingplatzes, wenige hundert Meter auf der anderen Straßenseite, gibt es ein Restaurant innerhalb eines kleinen Feriendorfes. Dort gönnen wir uns ein 3-Gänge Menü, inclusive Wein, zum schottisch/schwäbischen Preis von 14,90 Pfund!

Was es zu essen gab? Nun, unter anderem unser erstes Haggis, und zum Nachtisch Panoffe Pie bzw. Sticky Toffee Pudding mit Datteln! Mmmmhhhh!

Das also war der erste Tag, voller Eindrücke und durchweg positiver Überraschungen, toll, wirklich toll, nur der doofe blaue Himmel ...